Moin, Moin! Ich bin Henni. Und ihr könnt euch nicht vorstellen, was ich in Florida gerade erlebt habe.

Eigentlich wollte ich ja nur das Harry-Potter-Schloss besuchen. Das steht hier nämlich in einem der vielen Filmparks. Doch das war ganz schön nervenaufreibend ...

 

 

Ich weiß ja, dass es in Florida Schlangen gibt. Aber solche gewaltigen Schlangen habe ich noch nie gesehen. Auch nicht auf Bildern. Und schon gar nicht in echt. Wir stellen uns hinten in der Schlange an.

„Hilfe! Wie lange müssen wir hier warten?“, erkundige ich mich bei Tante Ulli.

„Oh my god! That’s normal, Henni! In den Parks sind die Schlangen immer so lang!“ Ihre hohen Schuhe klappern auf dem Pflaster.

Diese Schlangen hier im Filmpark können nicht beißen. Es sind Menschen-Schlangen. Vor den Fahrgeschäften stehen so viele Menschen an, dass man sie gar nicht mehr zählen kann. Vor jeder Attraktion ist ein großes Schild angebracht. Dort sieht man, wie lange man in der Schlange warten muss, bis man dran ist. Da, wo wir sind, steht auf einer Tafel: „1:45“. Also warten wir.

„Ach, ich Dummie! How stupid!“ Tante Ulli klatscht die Hand gegen ihre Stirn und trifft den oberen Rand ihrer Sonnenbrille. Das edle Stück sitzt jetzt schief auf der Nase.

„Was ist los?“ Mama sieht ihre Tante erschrocken an. „Sind wir hier falsch?“

„No! Wir sind richtig hier, aber ich habe die falschen Schuhe an!“ Ulli schaut auf ihre goldfarbenen Pumps mit den hohen Absätzen. „Wieso?“, fragt Mama.

„Oh dear! Da lauf ich mir Blasen!“ Sie sieht ziemlich bedröppelt aus. „Nützt nichts. Das muss ich noch ändern.“ Sie greift in ihre hellgrüne Ledertasche und zieht zwei glitzernde Flipflops hervor. Dann hält sie sich an meiner Schulter fest, hebt das erste Bein und streift ihre eleganten Schuhe ab. Ein paar perfekt lackierte, dunkelrote Fußnägel kommen zum Vorschein. Nun noch die gleiche Prozedur mit dem anderen Fuß. Graziös schlüpft sie in ihre Flipflops. Ulli lässt mich los, stopft ihre goldenen Pumps in die Tasche und sagt: „Here we are! Jetzt kann’s weitergehen!“

Doch von weitergehen kann wirklich nicht die Rede sein. Wir warten und warten und warten. Ab und zu rückt die Menschen-Schlange vor. Allerdings werde ich immer neugieriger auf das, was mich am Ende dieser Schlange erwartet. Ich weiß nur, dass es zu Harry Potter geht. Und dass wir gleich in Hogwarts landen. Endlich stehen wir vorm Harry-Potter-Schloss. Mir klappt die Kinnlade runter. Es ist wirklich genau wie im Film! Überall höre ich magische Geräusche. Eulenschreie, Hexenlachen, Türenquietschen … Besen zischen an mir vorbei. In der Eingangshalle begrüßen uns drei überdimensionale Hogwarts-Schüler, die in der Luft schweben. Harry, Ron und Hermine. Sie tragen Schuluniformen und ihre Stimmen hallen durch das Schloss.

„Ich glaube, hier geht’s lang.“ Mama zeigt auf eine Reihe von Fahrzeugen, in denen man sich anschnallen muss.

„Oh no! Da warte ich lieber draußen. Das ist eine Roller-Coaster. Wie sagt ihr noch dazu? Achterbahn?“ Tante Ulli guckt misstrauisch über den Rand ihrer Sonnenbrille. Sie geht zwei Schritte zur Seite und positioniert sich dann lieber neben dem Eingang. Mama und ich laufen allein weiter.

„Das ist eine 3-D-Achterbahn! Cool!“, rufe ich.

Wir reihen uns in die Schlange bei den Fahrzeugen ein. Im Schloss wimmelt es von Menschen. Tante Ulli ruft uns noch was zu. Ich verstehe es nicht. Mama hält mich am T-Shirt fest und versucht zu hören, was Ulli uns sagen möchte. Von hinten drängeln die Wartenden. Ulli macht uns Zeichen. Mama nickt. Schon stehen wir vor einem großen Wagen. Meine Mutter schiebt mich rein. Sie setzt sich neben mich und atmet tief durch. Magie liegt in der Luft. Was werden wir wohl hier in der Zauberschule erleben? Es ist alles ein bisschen gruselig. Die Harry-Potter-Bücher habe ich noch nicht gelesen. Nur den ersten Teil der Filme durfte ich kurz vor dem Urlaub sehen. Als Einstimmung für den Besuch hier im Filmpark. Die Sicherheitsbügel schließen sich.

„Bereit?“, fragt Mama.

„Bereit!“, antworte ich und mache die Augen zu. Die Harry-Potter-Musik ertönt. Der Wagen fängt an zu wackeln. Es rüttelt und ruckelt. Ich habe das Gefühl, dass ich gleich fliege. Vorsichtig öffne ich ein Auge. Vor uns sehe ich Harry. Er rauscht auf einem Besen über die Dächer von Hogwarts. Sein Umhang flattert im Flugwind. Hin und wieder dreht er sich panisch um. Hilfe! Wir werden verfolgt! Es fühlt sich an, als wäre ich selbst auf dem Besen. Wir schweben durch die Lüfte. Der Wagen kippt nach links, nach rechts, nach vorne, nach hinten. Wir schwanken und wanken. Es zittert und schaukelt. Jetzt taucht plötzlich ein Drache neben uns auf. Er kämpft sich durch die Luft, greift uns an. O nein, er will uns vom Besen schubsen! Meine Finger krallen sich um den Sicherheitsbügel. Die Musik dröhnt in meinen Ohren. Harry ruft dem Drachen etwas zu. Er kämpft verzweifelt, um auf dem Besen zu bleiben. Ich kreische vor Anspannung und drücke mich fest in den Sitz. Endlich! Harry schlägt den Drachen in die Flucht. Der Flug wird etwas ruhiger. Meine Hände entspannen sich. Wir landen auf dem Schulgelände.

Auch unsere Achterbahn-Gondel hält. Die Sicherheitsbügel öffnen sich. Hinter uns drängeln die Besucher. Raus geht es mit dem Strom der Menschen. Zurück zu Tante Ulli, die hoffentlich vor dem Schloss auf uns wartet. Ich muss mich kurz berappeln. Einen Moment lang ist mir sogar schwindelig. Als wir aus dem Dunkeln wieder ins Licht treten, halte ich mir die Hand vor die Augen. Die Sonne blendet. Um uns herum unendlich viele Parkbesucher. Sie alle wollen das Spektakel erleben.

„Ist der Drache wirklich verschwunden?“, frage ich Mama, während ich mich umsehe. „Vielleicht ist er noch hinter uns?“ Das soll natürlich ein Witz sein. Allmählich kann ich wieder lachen. Das war echt aufregend. Meine Mutter antwortet nicht. Ich schaue nach links – und erstarre! Wo ist sie? „Mama?“, rufe ich entsetzt. Sie ist weg! Meine Mutter ist nirgends zu sehen. Um mich herum sind Tausende von Menschen. Aber keine Frau mit hellblonden Haaren und hellblauem Kleid. Panisch schaue ich in die Gesichter der vielen Leute. Alle sind fremd. Manche lächeln, zeigen aufgeregt auf das Schloss. Niemand achtet auf mich. Mama muss doch hier irgendwo sein! Sie war eben noch neben mir. Mit den Augen suche ich den Platz ab. Keine Mama, keine Tante Ulli. Meine Knie zittern. Wie soll ich die beiden in diesem Menschen-Wirrwarr jemals wiederfinden? Mist, jetzt laufen mir ein paar Tränen übers Gesicht. Ich wische sie mit dem Handrücken weg. Doch es kommen immer neue. Nun muss ich auch noch schniefen und wenn ich nicht aufpasse, fange ich gleich richtig doll an zu weinen!

Tja, das war wirklich nicht lustig. Doch kurz bevor ich vor Angst fast verrückt geworden bin, bekam ich Hilfe ...

Und das erzähle ich euch beim nächsten Mal!